Unbeirrbarkeit

Bild: Der chinesische Philosoph Zhuangzi betrachtet einen Wasserfall. Mit Tusche und Farbe; Künstler und Alter in der Quelle leider nicht genannt. Bildquelle: Wikimedia Commons (public domain)
Wer stets unbeirrbar bleibt
und abgehoben schreibt,
wer verurteilt und verächtet,
sich vom Austausch entflechtet
und jeden Zweifel abwehrt,
am Ende in Abgründe fährt.
Wer von Höflichkeit redet
und zu Bescheidenheit betet,
wer Fleiß und Ordnung predigt,
sich als Gelehrter betätigt
und moralisiert alle Welt,
am Ende nur jeden verprellt.

Wer große Verdienste anstrebt
und sich auf Etikette versteht,
wer viel Berühmtheit erlangt,
nach Unten prahlt, nach Oben bangt,
wer Diener ist für den Kaiser,
wird am Ende nicht weiser.

Wer den Müßiggang pflegt,
Freude am Nichtstun hegt,
sich in der Wildnis versteckt
dort Entspannung bezweckt,
sich vom Fische Angeln ernährt,
am Ende nur Därme entleert.

Wer sich krümmt wie ein Bär
und sich streckt ungefähr
wie ein komischer Vogel,
wer versucht, dass er mogel‘,
und seinen Körper verehrt,
das Ende trotzdem erfährt.

Wer durch Zweifel obsiegt,
wem an Belehrung nichts liegt,
wer ohne Ruhmsucht regiert,
wer nirgendwo Ruhe verliert,
wer ohne Verrenkung lang lebt,
am Ende der Weisheit zustrebt.

(frei nach Zhuangzi, Kapitel 15.1)

Buch:

Mir liegt für meine Beschäftigung mit Zhuangzi u.a. die Übersetzung von Viktor Kalinke vor, die 2019 als hübsche Hardcover-Ausgabe bei Reclam erschienen ist.