Sokrates

Bild: Sokrates unterrichtet Alkibiades. Öl auf Leinwand (1776) von François-André Vincent (1746–1816). Bildquelle: Musée Fabre, Montpellier, Frankreich, Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Sokrates im Blick zu haben,
das ist für jeden eine Pflicht,
der der Weisheit ihre Gaben
für sich erforscht; das hat Gewicht.
de Montaigne, ein Gereister,
bewunderte den Sokrates
als „Meister aller Meister“.
Er hielt das extra so klar fest. *

Der Meister mit der Knubbelnase
fand zu Markte seine Welt.
Er sprengte jede Filterblase,
weil er Leute überfällt.

Es war eher ein Bedrängen
zum steten Hinterfragen.
Er tat alle zwanglos zwängen,
Gewissheit abzutragen.

Freizulegen, tief und breit,
das Wesen der Begriffe,
etwa der Gerechtigkeit,
er kannte dafür Kniffe.

Leben ohne Selbsterkenntnis
sei kein Leben, welches richtig;
und es trifft auf kein Verständnis,
denn dem Sokrates war’s wichtig.

Der große kluge Bertolt Brecht
widmete dem Philosophe‘
in feinen Reimen, gar nicht schlecht,
auch noch eine Ehe-Strophe: **
Xanthippe fragte Sokrates,
ob er schon wieder blau.
Er war sich gar nicht sicher des,
doch schalt‘ ihn seine Frau.

Er wusste, nichts zu wissen,
war stets nur auf der Suche
und folgte dem Gewissen,
trug keine teuren Tuche.

Auf dem Markte dacht‘ er scharf:
„Wie zahlreich sind die Dinge,
derer niemals ich bedarf?“
Ob er sie Xanthippe bringe?

Sokrates, der so viel sagte,
gemahnt‘ als Letztes an die Pflicht:
„Der Asklepios gestern fragte
nach seinem Hahn. Versäumt es nicht.“

Vor Sokrates war wenig
und nach ihm reichlich viel.
Dazwischen währt es ewig,
sein Frage-Antwort-Spiel.

Bild: Der Tod des Sokrates. Öl auf Leinwand (1762) von Jacques-Philippe-Joseph de Saint-Quentin (1738 – nach 1780). Bildquelle: Beaux-Arts de Paris, Wikimedia Commons (public domain)
 

* Michel de Montaigne:

„Meister aller Meister“

Michel de Montaigne (1533-1592), französischer Philosoph, über Sokrates. QuelleLes Essais. Livre III, 2. Auflage, Paris 1992, S. 1076.

** Bertold Brecht:

Das Bertolt Brecht Alfabet
Buchstabe X wie Xanthippe

Xanthippe sprach zu Sokrates:
„Du bist schon wieder blau?“
Er sprach: „Bist du auch sicher des?“
Er gilt noch heut als Philosoph
Und sie als böse Frau.

Bertolt Brecht (1898-1956), deutscher Dramatiker und Lyriker. Quelle: Bertolt Brecht: Ein Kinderbuch. Der Kinderbuchverlag Berlin 1965, 5. Auflage 1981, S. 58 ff.

Sokrates:

Sokrates (470 – 399 v. Chr.), griechischer Philosoph.

„(…) dass ja eben dies das größte Gut für den Menschen ist, täglich über die Tugend sich zu unterhalten und über die andern Gegenstände, über welche ihr mich reden und mich selbst und andere prüfen hört, ein Leben ohne Selbsterforschung aber gar nicht verdient, gelebt zu werden (…).“

Quelle: Platon, Apologie des Sokrates, entstanden um 395 v. Chr., 38a

„Denn von mir selbst wusste ich, dass ich gar nichts weiß (…)“

Quelle: Platon, Apologie des Sokrates, entstanden um 395 v. Chr., 22d

„Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf!“

Quelle: Diogenes Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. 2,5,25

„Kriton, wir schulden dem Asklepios einen Hahn. Opfert ihm den und versäume es nicht.“ 

Quelle: Sokrates‘ letzte Worte 399 v.Chr., nachdem er den Schierlingsbecher getrunken hatte, gemäß Platon, Phaidon 118a

Buchtipp:

Ekkehard Martens: Sokrates. Eine Einführung. Reclam Verlag 2004 (beim Verlag nicht mehr erhältlich; Link zu Suchergebnis bei Booklooker)

 
Bild: Sokrates-Büste aus Marmor (römisch, 1. Jahrhundert), vermutlich eine Kopie der verlorenen Bronzestatue, die Lysippos angefertigt hatte. Bildquelle: Eric Gaba (Fotograf), Standort: Louvre, Paris, Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.5)