Innenwelt und Außenwelt

Die Innen- und die Außenwelt 
die wurden von der Denker Zunft
vor langer Zeit getrennt gestellt,
sehr klug begründet durch Vernunft.
Tief drin, verborgen im Subjekt,
verharrt seitdem die Geisteswelt
und blättert traurig ein Prospekt,
mit dem man Äußeres bestellt.

Auch von der objektiven Welt
sich nicht gerade sagen lässt,
dass ihre Lage ihr gefällt,
sitzt sie doch geistlos draußen fest.

Die Sehnsucht wurde nie gestillt;
so hat die Trennung ja den Zweck,
dass keine Welt die and‘re killt
mit Philosophen vorneweg.

Denn so manche, die vermessen
den Geist als Stoff, nur subkutan,
während and’re unterdessen
sagen, die Außenwelt sei Wahn.

So bleibt es besser, wie es ist,
und beide Welten sind getrennt.
Dass eine Welt die and‘re misst,
man schade, aber nötig nennt.

Inspiration:

Robert Gernhardt (1937-2006), deutscher Schriftsteller, Dichter, Zeichner und Maler, widmete sich beim Dichten auch der Philosophie. Man darf mein Gedicht als Erweiterung bzw. Fortsetzung seiner „Philosophie-Geschichte“ von 1981 verstehen, die ich hier zitiere:

„Philosophie-Geschichte

Die Innen- und die Außenwelt,
die warn mal eine Einheit.
Das sah ein Philosoph, der drang
erregt auf Klar- und Reinheit.

Die Innenwelt, 
dadurch erschreckt,
versteckte sich in dem Subjekt.

Als dies die Außenwelt entdeckte,
verkroch sie sich in dem Objekte.

Der Philosoph sah dies erfreut:
indem er diesen Zwiespalt schuf,
erwarb er sich für alle Zeit
den Daseinszweck und den Beruf.“

aus Robert Gernhardt: Wörtersee. FISCHER Taschenbuch 2018 (Link zum Buch beim Verlag)