Bild: Ein alter weißer Mann, der obdachlos ist, am Canada Day 2011 in Toronto. Bildquelle: Svetlana Grechkina, Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
„Du alter weißer Mann!“
hieß es, als zu fragen,
zu zweifeln ich begann.
Dann hagelten Klagen.
Mein Schweigen sei Gebot
und dass ich hören muss,
welch‘ Schuld ich trag’ an Tod,
an Armut und Verdruss.
Auf mein eig‘nes Konto
geh’n Joch und Sklaverei,
dies sogar im Kongo,
in Indien, der Türkei.
Ungleichheit und Elend
brächten mir Profite;
Privilegien zählend
sei Teil ich der Elite.
Dass quasi per Natur
ja auch ich sei Rassist;
sodann die Diktatur,
die wächst auf meinem Mist.
Auch soll ich mal schauen,
wie als mein‘ Geistes Kind
auf der Welt die Frauen
durch mich unterdrückt sind.
Solcherart zu streiten,
trifft Vieles, doch nicht mich.
Herkunft war bescheiden,
sehr sparsam (kleinlich nicht).
Jobben bin gewesen
nebst Schule, Abitur.
Studium und viel Lesen;
war Gandhi auf der Spur.
Kranke hab’ begleitet,
Zivildienst für ein Jahr;
Karten auch verbreitet
für Unicef, ganz klar.
Zwecks Studien wurd’ ich Rat,
doch dieses nur zur Form;
mit Ohr, mit Wort, mit Tat
zu helfen ist mir Norm.
Ob begabt, ob langsam,
autistisch oder queer,
ob gefloh‘n, ob einsam -
Ich helf’ als Pionier.
Ich find‘, ihr geht zu weit
in eurer Militanz
und Selbstgerechtigkeit,
mit all der Arroganz.
Den Müll trennt ihr, ich weiß.
Doch durchstreift ihr Gassen
und sammelt dort mit Fleiß
Müll, den and‘re lassen?
Lest meinen Monolog,
lest ihn erst gut, schweigt dann!
Ich bin ganz sicher woke
als „alter weißer Mann“.